Schwarzgeld | Ross Macdonald
BUCHTITEL AUTOR
Schwarzgeld Ross Macdonald
LITERATURANGABE
Ross Macdonald, Schwarzgeld, Verlag: Diogenes, Übersetzung: Karsten Singelmann, Erschienen: 2016 Zürich, Umfang: 368 Seiten, ISBN: 978-3-257-30040-6, € (de)
BUCHCOVER VON ROSS MACDONALD „SCHWARZGELD“
Erstarrt in der Bewegung des Fahrens ist auch die Mimik starr. Verborgen hinter dem Make-Up. Eine nicht mehr ganz junge Frau sitzt da in dem biederen Kostüm der Scheinheiligkeit. Die Schatten werden länger auf einem Gesicht der Trauer. Die Konzentration gleicht einer Statue, die ist Alles, was rückwärts ist. Auch der Blick in den Spiegel. Das Sichtbare liegt im Auge des Betrachters. Vielleicht fährt sie nicht. Sie ist im Aufbruch. Oder sie parkt.
Überraschende Natur- und Wettereffekte
vermengen sich mit der fortschreitenden Handlung. Sie erhöhen das Tempo eines im Spiegel gesehenen Wagens, der den Eindruck machte, im Stau zu stehen oder stehen zu bleiben. Urbane Details sind die atmosphärischen i-Tüpfelchen der Handlung. Das komplizierte hausgemachte Labyrinth der Stadt, das ist Los Angeles, ähnelt dem Fall, um den es in dem Buch geht. Oder besser gesagt den Fällen.
Die Schönheit liegt hinter der Kälte, die dieses Bild versprüht. Im sonnengelben Ambiente sind Eiswürfel versteckt.
ZIELGRUPPE VON ROSS MACDONALD „SCHWARZGELD“
Die Kinogänger aus den 1970er Jahren kennen Ross MacDonald von den Verfilmungen seiner Bücher. Die Atmosphäre ist noir. Das Tempo ist gemächlich. Trotzdem kommt keine Langeweile auf. Ein Hauch von „Casablanca“ und eine unaufgeregte Sentimentalität bestimmen den Ton. Die Spannung liegt im Plot, vor allem an der Figur des Detektiv Lew Archer und seiner Weltanschauungen. Und es ist ein Stück Zeitgeschichte aus dem 20. Jahrhundert. Im Stil eines Berichts über menschliche Tragödien vermittelt das Buch Nähe und Distanz zu gleich.
Ross Macdonald ist mehr als Raymond Chandler und Dashiell Hammett zusammen.
KIKI´S EINLEITUNG ZU ROSS MACDONALD „SCHWARZGELD“
Es ist ein kleiner Küstenort, der einen Tennisplatz hat. Die Leute kennen einander und sind misstrauisch auf Fremde. Das bedeutet nicht, dass der eine oder andere Neuankömmling es nicht schaffen kann, Teil der Gesellschaft zu werden. Im Gegenteil wird er mit offenen Armen empfangen und irgendwie beschützt. Die Physiognomie spielt eine große Rolle. Wie man aussieht, ist Teil der Handlung und lässt Charaktere platzieren. Ein Villenviertel steht auf dem Prüfstand, wie offen seine Tore sind für Leute, die den sozialen Status nicht besitzen und über Geld nicht verfügen, einerseits. An der Steuer vorbeigeschmuggelte Einnahmen, im Buch in Verbindung mit Panama Stadt, andererseits.
KIKI´S INHALTSANGABE ZU ROSS MACDONALD „SCHWARZGELD“
DER DETEKTIV UND DER HEIRATSSCHWINDLER
Der Auftraggeber von Lew Archer, dem Privatdetektiv, ist Peter Jamieson Jr. Er ist ein übergewichtiger junger Mann, den die Verlobte verließ für einen anderen. Er kennt Virginia, Kosename Ginny, Fablon seit Kindesbeinen und er will sie zurückerobern. Sie hat ihn verlassen, obwohl er Geld hat. Archer gräbt in der Vergangenheit, um mehr über den neuen Mann in Ginnys Leben zu erfahren. Francis Martel ist Franzose mit adligen Vorfahren, obwohl die Hinweise auf eine gefälschte Herkunft zeigen. Ist Martel ein Schwindler oder besser gesagt ein Heiratsschwindler?
Seine Fans sind Frauen. Wie in „Boss and Girls“, Hände weg von meiner Idee, diese Sätze zu verbinden!
Der Rest weiß nicht, woher sein Vermögen kommt.
Das wird zum Gesprächsthema der Gesellschaft in dem Ort. Martel meidet die Öffentlichkeit und droht mit der Waffe, wenn man ihn fotografieren will.
Er macht sich Feinde, indem er ihnen die Verlobten ausspannt.
Er macht sich Freunde, indem er seine zukünftigen Schwiegereltern in politische Kreisen einweiht. Die widersprüchlichen Informationen, die Archer zusammenträgt, über den Mann mit den vielen Namen, den vermeintlichen Selbstmord von Ginnys Vater und die vielen Personen, die an dem Franzosen interessiert sind, machen deutlich, dass die meisten Figuren nicht das sind, was sie vorgeben.
Ginnys Vater hatte Spielschulden,
deswegen soll er sich umgebracht haben. Seine Leiche wurde aus dem Meer gefischt. Die Identifizierung war schwierig. Der Verdacht fällt auf den Spieler gegen den er verloren hat und seine attraktive Ehefrau. Als Ginnys Mutter Marietta angeschossen wird, nennt sie den Kosenamen, nicht aber den wirklichen Namen des Mörders, bevor sie stirbt.
Haben wir hier wieder Connections mit Autohändlern aus anderen Staaten?
KIKI´S INHALTSANALYSE UND CHARAKTERISIERUNG ZU ROSS MACDONALD „SCHWARZGELD“
DIE SORGEN DES EX UND DIE FRAGEN DES DETEKTIVS
Eukalyptusduft und Bougainvillafarbpracht in mitten von Zypressen und Palmen sind ein Teil der Szenerie. Das Wetter und die Natur vermischen sich mit dem Charakter der Buchfiguren. Sie sind möchte gern mondän auf der ganzen Linie. In der gediegenen Atmosphäre des Küstenortes, wo jeder jeden kennt, auch die Neuankömmlinge und auch die Emporkömmlinge, muten die Gespräche wie Verhöre an.
Die bohrenden Fragen des Detektivs bleiben nicht ohne Wirkung. Sie irritieren und machen aggressiv. Der knappe berichtende Ton bestimmt die Geschichte. Archer, der Detektiv, ist überall und nirgendwo.
Die Fürsorge um Ginny überschattet andere Gefühle und lässt ihr kaum Raum zum Atem holen. Verspürt Ginny das Bedürfnis, mehr Raum zu beanspruchen? Ihr Ex-Freund Peter Jamieson Jr. leidet an Fettleibigkeit. Esssucht ist eine Art der Regression in die Oralphase. Sie ist eine Ersatzhandlung. Das unerkannt bleibende Bedürfnis nach Flüssigkeit, aber kein Alkohol, bestimmt den Alltag.
Wo bleibt die Liebeshandlung…
LEW ARCHER: DISTANZ UND WACHSAMKEIT
Eine Fülle an Informationen führt ins Dunkeln, denn es sind alles scheinbar unzusammenhängende Details.
Lew Archer ist Beobachter, der seine Distanz bewahrt. Damit beschützt er seine Gefühlswelt. Er ist ein selbstzufriedener, talentierter Ermittler mit besonderem Interesse an Profilen und Erfahrung bei der Polizei, die er anscheinend gern verlassen hat.
Er beurteilt die Atmosphäre als trostlos und betrachtet den Anfangsidealismus von jungen Polizisten mit Pessimismus. Der Beruf des Privatdetektivs erfüllt seine Neugier und sein Philosophieren mit Gedanken aus der Psychoanalyse. Er verschweigt seinen Auftraggeber und befragt Leute. Intensiv. Ihre Abneigung gegen sein Auftreten und gegen seine Nachforschungen über die Zielperson Francis Martel stört ihn nicht weiter.
Schubladendenken
Er steckt jeden von ihnen mit ihren Verhaltensweisen in Schubladen. Für seinen Auftraggeber hat er Verständnis und Mitleid. Für die Frauen auch. Sogar ihre emotionalen Ausbrüche gehören zu ihnen. Es gibt eine Diskrepanz zwischen Indifferenz und Temperamentausbruch. Sie glänzt im Schein der Einsamkeit und der Niedergeschlagenheit. Sie wird hineingefressen.
DIE FRAUEN UND DIE PROBLEME
Es ist eine Geschichte mit vielen Schichten. Das Epizentrum ist Martel. Er ist der Inbegriff des Heiratsschwindlers, des Aktien Scharlatans und Geldwäschers. In Wirklichkeit ist er Aushilfskellner. Seine Braut Ginny lebt in seinem Schatten. Eine Liga problembeladener Frauen befindet sich in Dauerkonfrontation mit Männern, die Geld suchen. Marietta Fablon, Witwe von Roy Fablon und Mutter von Ginny. Ginny Fablon, die viele Verehrer hat.
Sie hält ihre Gefühle unter Verschluss.
Dornröschen
Sie macht den Eindruck, sie ist eine verwundete Schönheit, die verweigert der Wahrheit ins Gesicht zu blicken. Das heißt sie erkennt nicht, dass die eigene Mutter tot ist. Sie ist gleichzeitig mit dem Schwiegersohn ermordet worden. Kitty ist in Begleitung des Glückspielers Ketchell. Sie hat niemals den gleichen Namen. Sie ist dekadent attraktiv in der undurchsichtigen Rolle, die sie bekleidet. Frau Tappinger ist die verspielte, vielleicht untreue Professoren Ehefrau.
SIND SEKUNDÄRE CHARAKTERE WICHTIG?
Roy Fablon ist der Spieler, der als Erinnerung existiert. Peter Jamieson Jr. ist der stets treue Freund, der sich nur eine Ehe mit Ginny vorstellen kann.
DIE PHILOSOPHIE DES GLÜCKSSPIELS
Die Namen sind Fassaden für Identitäten, die sich ungern präsentieren. Zum Beispiel von Spielautomatenbesitzern aus Las Vegas. Bei einer Stippvisite finden Gespräche über Rabattregelungen statt und über Geldeintreiber im Allgemeinen. Philosophisch kritische Beobachtungen über das Spielen und die Spieler. Lew bleibt neutral. Er bekommt sehr viele Informationen vom jeweiligen Gesprächspartner. Es wird viel von Steuerhinterziehung geredet. Sie wird von allen begangen. Die Großen und die Kleinen. Alles deutet auf die Abwicklung von Geschäften mit einer Bank in Panama.
INFORMATIONEN IN POLIZEIERMITTLUNGEN
Informationen über den Chlorid Gehalt des Blutes aus der linken Herzkammer und den Magnesiumgehalt in der rechten Herzkammer sollen Indikatoren für das Ertrinken im Meerwasser sein. Trotzdem herrscht ein Durcheinander, das polizeiliche Ermittlungen behindert.
DER LUXUS DES PROFITS
Gefangen in Komplexen wie Schönheit auf der verzweifelten Suche nach Geld zum Überleben. Der Wusch nach Luxus zum Leben. Ist eine gefährliche sexuelle Liaison die Antwort in diesem Fall? Ein gefühlskalter Charakter, der hauptsächlich Profit im Sinn hat? Der anderen die Schuld für Straftaten in die Schuhe schiebt?
KIKI´S FAZIT ZU ROSS MACDONALD „SCHWARZGELD“
GLÜCK NOIR
„Schwarzgeld“ ist auf Noir eingestellt. Es ist „schwärzer als schwarz“. Es ist das Panorama einer persönlichen Tragödie. Die verhängnisvolle Liebe überschattet das Glück und oft auch den Verstand. Die politischen Töne dazwischen gehören dazu.
Darüber hinaus liegen dem Text Abschnitte bei, die wie Meta-Passagen sind, daher auch die weitere Interpretation unterstützen.
TEXTAUSZUG
Kalifornien schimmert in dunklen Tönen jenseits des Paradieses, wie John Steinbeck ihn bereits entwarf.
KATEGORIEN
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Psycho
Tatort
Whodunnit
TATORTE
- California State University, Long Beach, Kalifornien, dort unterrichten mehrere Buchfiguren und es ist Virginias alte Universität. Auch dort hat sie mehrere Verehrer.
- Laurel Drive, Kalifornien, in dem Buch (1966, englisches Original) ein Villenviertel. In der Nähe geschehen die Morde an Marietta Fablon und Francis Martel.
- Padre Ridge Road, Santa Teresa, Kalifornien Wohnort des Casinobesitzers und Glücksspielers Leo Spillman, der eine Vorliebe für Mehrfachidentitäten hat.
KIKI´S KOMMENTAR ZU ROSS MACDONALD „SCHWARZGELD“
DIE COOLE MORAL DES DETEKTIVS
Zwischen Universität, Kleinstadt-Villenviertel und Glücksspiel wird Tennis gespielt und gemordet. Die Moral findet sich beim Privatdetektiven, der den Überblick behält. Er betrachtet Gefühle cool. Multiple Identitäten zwischen Los Angeles und Las Vegas gehören zum Alltag. Ohne sie scheinen die Buchfiguren nicht überleben zu können.
REISEZIELE
- Sunset Boulevard, Los Angeles, das Büro des Detektivs Lew Archer ist dort.
- Juniper Str., Los Angeles, in der Nähe der Bahngleise, das ist Kittys Behausung gewesen.
- Fremont Str., Las Vegas. Lew Archer macht eine Reise nach Las Vegas, um einen Casinobesitzer nach den Spielschulden von Ginnys Vater Roy zu befragen.
- Hollywood Freeway, San Bernardino Fwy, Eastern Avenue, dort befindet sich das Restaurant „Top of the North“ im Buch. Lew Archer hat ein Gespräch mit Professor Allan Bosch über das Alter Ego von Francis Martel oder alias Pedro Domingo aus Panama.