Das Lächeln der Alligatoren | Michael Wildenhain
Sylt
Der Urlaubsort für Viele und der Ort vieler Kriminalromane.
Unscharfe Konturen
Das Bild von Erinnerungen, die Schemen der Gegenwart.
Übersetzungsvorschlag
Mit Informationen über Sylt.
Michael Wildenhain
Geboren 1958 in Berlin, Studium der Informatik, Philosophie, Mathematik und Wirtschaftsingenieurwesen; er schreibt Romane, Erzählungen, Gedichte, Theaterstücke und Jugendbücher; Preisträger u.a. Hans-im-Glück-Preis, Alfred-Döblin-Preis, Ver.di-Literaturpreis Berlin-Brandenburg.
Traumreiseziel
Sylt
Im Übergang zwischen den sechziger und den siebziger Jahren
Eine Mutter und ihr Sohn sind auf dem Weg nach Sylt; es ist weniger ein Urlaub, mehr eine Pflichtübung, denn auf der Insel wohnt der jüngere Bruder, der seit einem Unfall verletzt ist und Folgeschäden davongetragen hat. Die Erinnerungen an das folgenschwere Ereignis und an die glückliche Familienzeit davor vernebeln das Gemüt des fünfzehnjährigen Romanprotagonisten.
Der junge Protagonist
schafft es nicht, die Schuld für den Zustand seines Bruders wegzudrängen, die schleichende Entfremdung der Eltern, die Trennung von dem liebgewonnenen Zusammensein in der Familie, dem Abschied von den vertrauten Spielen der frühen Kindheit zu verarbeiten. In diesem melancholischen Zustand unverarbeiteter Beziehungskonflikte im Schatten der vielen Abschiede und überforderter Eltern trifft er vor
damals uriger Sylt Nordseekulisse auf den Menschen, den er sein Leben lang nicht vergessen wird; aus allen
Poren verströmt sie Faszination, personifiziert Grenzüberschreitung und den Bruch mit Konventionen bis hin
zu unverhohlener Grausamkeit; vor allem aber verkörpert
dieses fiktionale weibliche Gegenüber
das schwer erreichbare Versprechen erotischer Ekstase, das seine jugendlichen Sinne auf der Suche nach Abwechslung und
Neuorientierung versklavt, den noch nicht entwickelten gesunden Menschenverstand verblendet, der expliziter
Grausamkeit niemals folgen würde. Jahre vergehen bis zum Wiedersehen:
das erotische Katz-und-Maus-Spiel beginnt
von vorne, die sexuelle Vereinigung besiegelt die Hörigkeit, die Freundeskreise sind radikalisierte Fanatiker;
erst zu spät erkennt der Protagonist seine eigene bescheidene Rolle als Mittel zum Zweck im Spiel um politische
Signale, den Missbrauch seiner Gefühle im Altar moralisierender Racheakte. Er wird der Bauer auf dem Schachbrett,
der folgt, persönlich involviert, politisch instrumentalisiert, für immer archiviert.
„Das Lächeln der Alligatoren“ ist ein Buch mit dem Charakter eines Kriminalromans, der seine Handlung in eine Epoche der Gewalt platziert (siebziger Jahre in West-Deutschland). Vordergründig präsentiert er viele Aspekte vom Leben eines Heranwachsenden.
Hintergründig aber und am wichtigsten
liefert der Roman den mehr als nur dezenten Hinweis, wie Ideologien,
ihre Mechanismen und ihre Anführerinnen beizeiten es verstehen können, bestimmte jüngere Menschen zu vereinnahmen.
Kyriaki Marati-Sparr Buecher-Logbuch
Tatorte
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Literaturhinweis
Michael Wildenhain, Das Lächeln der Alligatoren, J.G. Cotta´sche Buchhandlung 2015 €19,95.