Das Ende der Schlaflosigkeit | Helmut Marrat
Die erträgliche Leichtigkeit der Luft
Weil die Luft das letzte Wort hat in diesem Kriminalroman.
Klarheit
Wird gesucht und der Protagonist hofft sie zu erreichen durch seine Handlungen und die Teilungen.
Das Umschlagbild ist von K.R.H. Sonderborg, das Motiv stammt aus der Werkserie „Spur Andreas B.“, die der Künstler zwischen 1979 und 1996 anfertigte.
Übersetzung
Der Weg von der Straftat in die nächste Straftat wird minutiös aufgezeichnet.
Helmut Marrat
1962 in Hamburg geboren, Studium der Geschichte, Germanistik und Rechtswissenschaft in Hamburg, München und Berlin, Schauspielausbildung an der Folkwangschule Essen, Oper Essen, Düsseldorfer Schauspielhaus, wohnhaft in Berlin und Hamburg.
Traumreiseziel
New York City.
Das Trauma
Als zehnjähriges Kind verliert der Protagonist seinen Vater, der Opfer einer Gewalthandlung wird. Vitales Element der Erzählstränge ist dass der Vater Polizist war. Sein Tod markiert den Beginn von Störungen im gemeinsamen Leben von Mutter und Sohn bis zum endgültigen Abschied.
Ersatzhandlungen definieren das sekundäre Prinzip der Gefühllosigkeit, denn primär ist Schlaflosigkeit und das Bedürfnis sie zu versorgen.
In einem Schleier beschwert durch Kommunikationslosigkeit, Sprachlosigkeit, Selbsthass projiziert als latenten Hass auf die Mutter kristallisiert sich die Intention zur Vergeltung heraus begleitet von dem Bedürfnis und dem Wunsch, sich für die geplante und zielgerichtet durchgeführte Tat verteidigen zu wollen. Die Umsetzung der Rache bestätigt die Ahnung aus dem ersten Teil des Buchs, am Anfang war der Vorsatz.
Als Erwerbsmittel,
als Ersatzhandlung und als sekundäres Bedürfnis dient das Element der versteckten Homosexualität. Die Nähe bei temporären Beziehungen verknüpft sexuelle Handlungen mit wirtschaftlichen Einkünften, Prostitution als einen Weg zur Selbstständigkeit und Verwirklichung des primären Ziels der Vergeltung.
Die Vaterfigur
bleibt schemenhaft; Intensität gewinnt ihre Abwesenheit durch den Tod und die Umstände ihres Todes; dadurch ist sie für den Protagonisten unvergesslich geworden. Die Erinnerung lastet wie ein Bleigewicht auf dem Lebenslauf seines Sohnes. Nach dem gewaltsamen Ableben des Vaters entfremdet sich die Mutter von dem Sohn. Halt geben sie sich nicht, sie kommen sich nicht näher, sie entfernen sich voneinander. Der erwachsene Sohn unterstellt seiner Mutter Anstiftung zur Rache. Im Raum schwebt viel Unausgesprochenes, das Stimmungen und Beziehungen, neue und alte, belastet.
New York steht im Buch als Zufluchtsort in die Anonymität der Metropole, als Sinnbild des Refugiums.
Die Hauptfigur entwickelt sich zum Egozentriker, latent suizidal auf der ewigen Suche nach einer „kleinen Flucht“, die in der Großstadt am Hudson River ihre Verkörperung sucht und entdeckt.
Ähnlich einem Seiltänzer
tastet sich der Täter auf der Flucht behutsam doch unweigerlich zielstrebig an die erworbene Aussichtslosigkeit der Gefahr heran.
Der jahrelange Monolog eines verwitterten Lebens
auf dem Weg zur Schwerelosigkeit der Erkenntnis, dass lediglich Luft fühlbar leicht sein kann führt dem Monolog seinem Epilog vor. Der Text lebt von Rückblenden, die der Autor periodisch in „Nachblenden“ verwandelt. In diesem Netz findet sich die Tat vorher und nachher, eingebettet, auf ihrer Suche nach Verständnis.
Die Sprache ist scharf wie ein Messer und klar wie spärliche Luft, als könnte ein Messer die Luft durchtrennen ähnlich wie in der Geschichte „Das Ende der Schlaflosigkeit“, die aus zwei Teilen besteht.
Kyriaki Marati-Sparr BUECHER-LOGBUCH
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Literaturhinweis
Helmut Marrat, Das Ende der Schlaflosigkeit, Verlag Neue Kritik, Frankfurt am Main 2008.