Das schwarze Chamäleon | Jake Lamar
BUCHCOVER
Das schwarze Chamäleon
Ein Buch in der Zeitung oder eine Zeitung im Buch. Schlagzeilen mit ungewissem Effekt, denn das Bild ergänzt nur bruchstückhaft den Text auf Vorder- und Rückseite. Fiktion, Information, Spekulation. Aus der Zeit als Bücher, insbesondere Kriminalromane, noch Frontseiten füllten und Leserinteresse keine Mangelware war. Die Anspielung an die Wandelbarkeit und Anpassungsbefähigung schwarzer Charaktere als quasi Erben von Gedankengut und Konkurrent:innen ehemaliger Bürgerrechtler in der etablierten Gesellschaft, wie im Nachwort des Autors und Übersetzers Robert Brack zu lesen, besticht durch anonyme Aufnahmen und Rückansichten auf dem Buchumschlag.
Ebenso auf dem Buchcover finden sich Hinweise über wieviel Information kosten mag in einer anderen Zeit als heute und was der Preis für Fiktion sein kann, wenn sie zum Beispiel in einem anderen Medium erscheint.
Die Infos zum Buch
Autor: | Jake Lamar |
Verlag: | Edition Nautilus GmbH |
Übersetzung: | Robert Brack |
Erschienen: | September 2024 |
Umfang: | 328 Seiten |
Preis: | €22,00 (de) |
ISBN: | 978-96054-374-9 |
ZIELGRUPPE
Whodunnit in einer kleinen aufstrebenden, genderbewussten, amerikanischen Universitätskleinstadt der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts, die oft unterschwellige, beinah philosophische, Konflikte zwischen Schwarz und Weiß als Beweise ihrer Diversität erkennt, sogar kultiviert. Kritischer Blick auf Charaktere diverser Gesellschaftsgruppen mit Sinn für schwarzen Humor und den richtigen Zeitpunkt für Höhepunkte.
Kiki’s Rezension: Das schwarze Chamäleon
EINLEITUNG
Eine Buchfigur stolpert in einen Mord hinein, den sie sogar hätte begehen können, weil sie ein Motiv hat. Privat und beruflich in der Krise steckt dieser Mensch in der Klemme. Eine ausweglose Situation mitten in einem fremdverschuldeten Schlamassel, so seine eigene Sicht der Dinge, trifft ihn ins Mark, sogar von der Polizei wird sie verdächtigt. Ist dieser Mensch, um den es hier geht, schwarz oder weiß? Ist die Hautfarbe nicht egal?
Die Chamäleon ähnliche Veränderung betrifft vordergründig die Gesinnung der Figuren und ihre Entwicklung bis hin zu Persona non grata.
INHALTSANGABE
Das schwarze Chamäleon
Der Journalist Clay Robinette, den es in der kleinen amerikanischen Universitätsstadt Arden verschlagen hat, ist in Verruf geraten, weil er nachweislich Zitate gefälscht hat. Während dieser beruflichen Krise, die seinen Status als Professor für „Creative Non-Fiction“ trotz allem nichts anhaben kann, wird er eines Nachts von dem bekannten schwarzen Universitätsprofessor Reggie Brogus aufgesucht und um seine Hilfe gebeten. Weil dieser Kollege einst Teil der Black Power Bewegung und Clays Idol war, sagt Clay nicht nein und verhilft ihm zur Flucht, denn in Brogus‘ Büro liegt eine tote Studentin. Jenny Wolfshiem ist weiß und sie hatte ein Verhältnis mit Clay, von dem Brogus weiß und ihn deswegen erpresst. Clay bekommt kalte Füße und eine ganze Menge Ärger mit Brogus, mit der Polizei, mit dem FBI und am schmerzhaftesten mit seiner Frau Penelope. Wer hat Jenny umgebracht und in Brogus Büro fremdplatziert?
Die Hauptverdächtigen
Reggie Brogus vermutet das FBI dahinter und ergreift panisch die Flucht, während Clay weiß, dass er zum Hauptverdächtigen wird, falls seine geheime Affäre mit der toten Studentin auffliegt. Er wird Ärger ungeahnter Ausmaße mit seiner Frau bekommen, denn komme, was es wolle, vermeiden will. Der harmoniesüchtige Clay will eigentlich seine Ruhe und wird trotzdem den Täter ausfindig machen.
INHALTSANALYSE & CHARAKTERISIERUNG
Clay geht unbequemen Situationen aus dem Weg so wie zum Beispiel der mühsamen Recherche nach echten Zitaten und Quellen. Stattdessen erfindet er falsche Zitate ohne sich Gedanken über die Konsequenzen zu machen. Als die Fälschung auffliegt, ist er diskreditiert und bekommt keine Aufträge mehr. Seine Stelle in der Universität der Kleinstadt, in der er mit seiner Frau und seinen Kindern lebt, ist sein letzter rettender Strohhalm. Clay scheint Notlagen anzuziehen, denn bei Vermeidung tritt der nächste Notfall auf, dem er sich nicht entziehen kann.
Der angepasste Charakter Clay Robinette
Sentimentalität hin oder her, Erinnerungen aus vergangenen Tagen die Treue zu halten, als die Black Power Bewegung in ihren Anfängen stand und Gruppen dem bewaffneten Widerstand nicht abgeneigt waren, verkörpert Clay einen größtenteils angepassten farbigen Mann mit ein paar Makeln, die Verwandlungsfähigkeit, Anpassung, Integration oder Pervertierung, je nach Blickwinkel, bestätigen. Verschwörungstheorien belächelt er, doch mit Geheimdiensten scheint er seine Erfahrungen gemacht zu haben. So fühlt er sich verfolgt von Schattengestalten des FBI, wie sie in Agentengeschichten aus der Ära des Kalten Kriegs zu finden sind.
Die Fluchtmechanismen
Selbstbewusstsein liegt Clay fern und seine Familie ist ihm heilig. Als dieses wertvolle Dach über den Kopf ins Schwanken zu geraten droht, schafft er es sogar kurzfristig seine Vermeidungsstrategien zu verdrängen. Aber er ist so sehr an Fluchtmechanismen gewöhnt, dass er krampfhaft Umwege sucht, um sich einer frontalen Konfrontation zu entziehen und auf diesem Weg eine Lösung seiner Probleme zu erreichen. Wie sein ehemaliges Vorbild Reggie Brogus ist er eine Karikatur seines Selbst.
Das schwarze Chamäleon
FAZIT
Mit Fingerspitzengefühl für Situationskomik wirkt hier ein Antiheld, der bessere Tage gesehen hat. Seine entwaffnende Ehrlichkeit lernt er erst in schlechten Tagen üben. Und nimmt den Leser und die Leserin auf eine Spritztour durch amerikanische Kleinstadt-Universitätsgeschichte, Genderthemen und politische Strömungen in der Black Power Bewegung, als sie in Begriff war, sich zu verwandeln und die 90er Jahre noch jung waren.
Der Mikrokosmos der Verwandlung
einer Ära und der Menschen in ihr wird hier sichtbar. Von Traumsucher zu Opportunisten, von Revoluzzern zu Konkurrent:innen im Etablissement. Die US-amerikanische Kleinstadt Arden könnte das Prototyp jeder Kleinstadt mit dem Namen in den Staaten sein oder überhaupt von US-Kleinstädten mit akademischen Ambitionen, die Heimat einer streitbaren Minderheit in den 90er war, die sich gewissermaßen als Mehrheit begreift und sich in diesem Sinne weiterentwickelt. Drumherum ein Flashback-Regen, der dem Plot Kraft spendet und ihn zum Feuerwerk verwandelt. Sarkasmus bringt den Konflikt des Protagonisten auf den Punkt, der am Ende vor den Trümmern seiner bürgerlichen Existenz steht, weil er so verzweifelt versucht hat, sich aus der Affäre zu ziehen.
Das tragikomisch realistische Frühwerk des im Nachbarland Frankreich nicht unbekannten US-Expats und Autors Jake Lamar ist anspruchsvoll anregende Unterhaltung im Stil eines klassischen Whodunnit mit Überraschungseffekten.
Ort der Handlung: Arden, US-amerikanische Kleinstadt mit Universität, nah Toledo, Bundesstaat Ohio
Reggie Brogus‘ Büro, Universität Arden
Clay entdeckt dort ein bekanntes Gesicht, glaubt seinen Augen nicht und will sofort fliehen.
Toledo, Ohio
Die Gemeinde von Arden bittet die Polizei von Toledo um Mithilfe bei der Klärung des Verbrechens, die von einer hochdekorierten, von allen gefürchteten, Frau geleitet wird.
Polizeizentrale Toledo, Ohio
Clay findet endlich die Diskette, die er gesucht hat, und übergibt sie der Polizei.
Haus von Clay und Penelope, Arden
Es ist nie abgeschlossen, weil Kinder und Ehefrau es vergessen, und es wird ein Kinderspiel einzudringen.