Die Musik des Zufalls | Paul Auster

Die Erbschaft

Ein Single erbt eine Summe Geldes und gestaltet sein Leben unterwegs. Diese Reise wird auf seine Entscheidungen wirken und nichts wird wie vorher sein.

Leere Scherben

Das Glas ist leer, die Scherben sind da, der Bruch ist vollbracht. Kein Scherbengericht…

Übersetzung

Jim Nashe Geschichte zwischen Alltag und Paradoxon ist grenzüberschreitend.

Paul Auster

1947 in Newark, New Jersey geboren, Studium der Anglistik und der Vergleichenden Literaturwissenschaft an der Columbia University, New York, Aufenthalt in Paris, Wohnort Brooklyn, New York; verheiratet mit der Schriftstellerin Siri Hustvedt; schreibt Romane, Essays, Gedichte und Drehbücher.

Traumreiseziel

Boston; Dutchess County, New York; New Jersey; Pennsylvania.

Zufall oder Spiel. Freiheit oder Bluff

Der Protagonist ist Feuerwehrmann in Boston, lebt getrennt von Frau und Tochter. Als er überraschend 200.000 Dollar von seinem Vater erbt, kauft er sich einen Wagen und fährt los; das Fahren wird seine Leidenschaft. Er kündigt seinen Job und fährt ein Jahr lang kreuz und quer durch
das amerikanische Hinterland; er bleibt nirgends lange, fährt ohne Plan, schaut sich die Orte nicht an, genießt seine Freiheit und gibt das ererbte Geld fast komplett aus. Eines Tages im Spätsommer auf einer Landstraße im Nordosten des Landes fährt er an einem jungen Mann vorbei, der bessere Tage gesehen hat; er ist verprügelt worden, und seine Kleidung ist schmutzig. Der Fahrer zögert und entscheidet;
er hält an und lässt den Mann einsteigen; letzterer ist begnadeter Pokerspieler;

ihre Fahrt durch New Jersey beginnt.

Der Poker-Imperfekt

in Anlehnung an die Zufallsbegegnung der beiden Protagonisten in dem Augenblick, der ihr beider Leben in andere Bahnen lenkt; auch in Anlehnung an das von der einfachen Spielvariante weit entfernte Pokerspiel im Roman, das den Verlauf der Geschichte beeinflusst, weil die Entscheidungen
der Akteure im Einzelnen und in ihrer Interaktion miteinander sich in einer bestimmten Art und Weise ereignen und nicht anders. Ihr Aufeinandertreffen, ihre Entscheidungen und ihre Handlungen lösen eine Lawine von Verkettungen aus.

 

Der ältere der beiden

genießt seine entfesselte Einsamkeit, die Freiheit im weiten endlosen Raum der Zeit; er frönt der Geschwindigkeit über dem Asphalt vorbei an anonymen Orten; er kostet das Privileg der Unsichtbarkeit, als einmaliger Passant spurlos vorbeizuziehen; die Musik und der Motorgesang füllen seine gewollte Einsamkeit, bis der Zufall Jackpot vor den Wagen taumeln lässt; und die Option Bindung ihren Platz in die Gedankenwelt des älteren Manns beansprucht.

 

Der Jüngere ist notorischer Pokerspieler,

Genie und Pechvogel, schmächtig, verwahrlost, doch rhetorisch nicht auf den Mund gefallen; sein Erscheinen zum richtigen Zeitpunkt weckt väterliche Gefühle in dem Älteren.

 

Das beinah Vater-Sohn-Gespann fährt

kreuz und quer durch New Jersey auf dem Weg in die nächste Pokerpartie über die Grenze nach Pennsylvania; sie träumen vom großen Gewinn und bauen die Weichen für den Ausgang der Geschichte ähnlich dem künftigen beinah nicht enden wollenden Bau der Mauer im (N)-Irgendwo. Ihr gemeinsamer Weg schweißt sie zusammen in den kurzen guten und in den längeren schlechten Zeiten; von letzteren werden sie heimgesucht in Gestalt
des verlorenen Pokerabends gegen ihre wohlhabende, nur scheinbar einer Karikatur entsprungene Gastgeber;

 

die Spielschuld

fordert ihr sofortiges Tribut; Freiheitsentzug, Mauerbau im (N)Irgendwo, noch mehr Schulden; unter den wachsamen Augen
der Exekutive,

in der Rolle des dienstbeflissenen, Befehle ausführenden, Regeln nie verletzenden Faktotums, des Oberaufsehers;

im Bann der freiheitseinschränkenden unsichtbar bedrohlichen anstiftenden, befehlenden Instanz. Die in Raum und Zeit
begrenzte Freiheit wird Gewohnheit, sie gefällt beinah, bis die Zukunft eine letzte Wendung für die beiden Romancharaktere
bereithält und die Weichen für die endliche Spirale von Höhepunkten stellt. Zufall im Fluss der Zeit, Freiheit und Spiel,
Musik-Spiel und Handlung in der Gestalt dynamisch interagierender Eckpunkte bauen ein fließendes Dreieck auf der Fahrt ins
ungewisse, frei (?) gewählte, die Faktoten in Abwesenheit der befehlenden Instanz mitreißende, ohnmächtige, doch
sinnmachende, schließlich verblendende Finale.

 

Info:

Spiel macht süchtig.

Die Lesefahrtetappen werden von kontextintegrierten, sinngebenden Melodien eskortiert.

 

Tatorte/Reise

Boston, Massachusetts,
Dutchess County, New York,
New Jersey,
Pennsylvania.

Wirtschaft

Bildung, politische Bildung, Religion, Einbürgerung, Sprachen, gewaltfreie Kommunikation, Verfassung

 

Literaturhinweis

Paul Auster, Die Musik des Zufalls, 1992 Rowohlt Verlag Reinbek/Hamburg, €8,99.

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