Halbe Helden | Erin Jade Lange

Unsere Suche nach uns selbst

In einem Stadtrandbezirk von Columbia Missouri, in dem Baseballfelder, ein eigener Wagen mit sechzehn und Wohnwagen statt Wohnungen das Straßenbild beherrschen, treffen sich eines Tages zwei Jungs. Obwohl sie unterschiedlicher nicht sein können, haben sie doch Einiges gemeinsam. Der sechzehnjährige Dane wohnt mit seiner Mutter, die Gewinn-Rubellose sammelt und sie einrahmen lässt, an der gleichen Straße wie Billy D.

Billy hat die Chromosomen Anomalie Trisomie 21, der Allgemeinheit bekannt als „Down-Syndrom“.

 

Identitätssuche

Ohne Gesicht, kein Rückgrat, so ist schwarz & weiß auf grau die Verspiegelung der Stimmung Billys. Er besitzt wie viele dieser Kinder und Jugendliche ein sonniges Gemüt.

 

Helden lesen Helden

Eine Abwechslung auch für Übersetzer nicht ein Adoptivkind als Helden erleben zu lassen.

 

Born in the USA

Personalisierung über Namen ohne das Wissen der Namenträger ist nicht namenlos und es ist „born in Canada“, dank der Familie und der Beziehungen international mit und ohne Reisen.

 

Traumreiseziel

Das Traumreiseziel ist Columbia Missouri sowie alle Ziele auf Billys Karte geerbt vom Vater. Weil kleine Orte wichtig sind und manchmal sogar lustige oder skurrile Namen tragen. Nur der Autorin scheint es weniger um Orte zu gehen, sondern mehr um Fahrten mit dem Auto. Vor allem geht es ihr um Wohnwagen und um die Hervorhebung von Aggression bei Trisomie 21!

 

Billys Botschaft

Billy sucht Danes Freundschaft, vor dem wegen seines herausfordernden öffentlichen Auftretens viele Gleichaltrige Angst haben. Billy hat Angst vor anderen Jungs, Angst zusammengeschlagen zu werden. Und er ist auf der Suche nach seinem Vater, der vom Erdboden verschwunden ist, nachdem Billys Mutter mit dem Kind den Wohnort gewechselt hat. Dabei hat der Vater Billy einen geheimnisvollen Atlas zurückgelassen; das Buch enthält Zeichnungen und zahlreiche Hinweise auf Rätsel und Städte, die besondere Namen tragen: keine bekannten Namen, sondern lustige, außergewöhnliche, manchmal kaum repräsentative Ortsnamen verstreut über das ganze Land. Diese Orte hat Billys Vater für ihn zusammengestellt, überall verbergen sich Hinweise, wo sich dieser Vater jeweils aufhalten könnte und aus besagtem Atlas eine Stadt-Land-Fluss-Rallye gemacht.

 

Streitschlichtung leicht gemacht

Billy und Dane besuchen dieselbe Schule und ab sofort legen sie den Schulweg gemeinsam zurück. Das abwesende Elternteil schweißt die Jungs zusammen: der Vater. Billy will ihn unbedingt finden, Dane zeigt kein Interesse, seinen eigenen Vater kennenzulernen.

„Halbe Helden“ wird von Konflikten und ungelösten Spannungen überflutet. Die Suche nach sich selbst in der Pubertät untermalt den Hintergrund des Romans. Aggression und deren Übertragung steht als Fragezeichen auf fast jeder zweiten Seite: Dane gerät oft in handgreifliche Auseinandersetzungen, in welchen er sich leichtfüßig der Gewalt bedient.

Dabei leidet seine schulische Laufbahn, denn er bekommt tagein tagaus Mahnungen und Warnungen, der Schule verwiesen zu werden. Lediglich die Begleitung Billys verschafft ihm positive Rückmeldungen.

Billy sucht Danes Nähe, weil dieser ihn schützen kann. Seine Wahl fällt nicht zufällig auf Dane. Billy hat Erfahrung mit Aggression als Opfer, ausgerechnet mit der Person, die er fieberhaft sucht: seinen Vater. Gewalt wiederholt sich in „Halbe Helden“ durch Vorbilder, die als einzigen Ausweg aus einem Konflikt aggressive Handlungen vorleben; unvermeidlich rutscht sogar Billys Hand einmal aus. Danes Persönlichkeit gestaltet sich definitiv auf der Basis von Gewalterfahrungen, weil er keinen Streit aus dem Weg geht ohne Rücksicht auf die drohende Entgleisung durch Disziplinarverfahren im schulischen Umfeld.

Der Auslöser ist die Demonstration eines somatischen Symptoms, die einer Prügelei hervorgeht.

Dieses wiederholende Muster deutet auf ein Täter-Opfer-Täter Syndrom hin, aus dem Dane ohne fachliche Hilfe nicht aussteigen kann. Die Aggressionsspirale, die ihm stets als Ventil gedient hat, schafft er letztendlich zu umgehen.

 

Und Billy lernt vielleicht den Atlas der Schnitzeljagden

auf Fata Morganas seinem eitlen angsteinflößenden Vater vorzuführen.

„Halbe Helden“ thematisiert die Gesamtpalette des Erwachsenwerdens, Eltern-Kind-Beziehung, alleinerziehende Mütter, Geldsorgen, Peers, Liebe, Leistungserwartungen, enttäuschte Existenzen, Schulsystem, Wohnortsituation, Freizeit, Gewalt, Berufsbilder, Verhaltensauffälligkeiten, Einsamkeit, Leben mit Chromosomen Anomalien, die Suche nach Selbstständigkeit, Selbstbewusstsein, Selbstbehauptung. Die beiden Protagonisten werden im Laufe der Geschichte ein Stück erwachsener. Dane lernt von Billy, was Freundschaft für ihn bedeutet und welche Emotionen sich damit verbinden und Billy lernt von Dane sich zu verteidigen und keine Angst zu haben.

 

Auf einer Autofahrt durch Missouri

wird die Freundschaft von Billy D. und Dane auf die Probe gestellt. Denn in Wirklichkeit suchen sie nicht nach ihren Vätern, sondern nach sich selbst; jeder für sich, doch beide gemeinsam. Nicht nur das, ihr Abenteuer weckt Erinnerungen an zwei berühmte Seelenverwandte:

Tom Sawyer und Huckleberry Finn.

Und obwohl Billys Atlas der wundersamen Orte und Sackgassen ihn niemals zu dem Vater, der ihm wehgetan hat, zu führen vermag, personifiziert dieses Buch die Krönung eines (Schul)Fachs:

der Geographie.

In welcher Beziehung Bethel mit Missouri und Franken steht, werden uns sicherlich die Fachleute erklären. Dass Menschen auf Schaufensterpuppen und Bekleidung reduziert werden und besonders die Trisomie 21 in ein schlechtes Licht dadurch gerückt wird, ist ein Skandal! ©Kyriaki Marati Sparr Buecher-Logbuch

 

Literaturhinweis

Erin Jade Lange, Halbe Helden, Magellan Verlag Bamberg 2015.

Schreibe uns Deinen Beitrag!

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht oder weitergegeben. Du erhälst keine Werbung von uns! Bitte respektiere die Meinung und Sicht eines anderen. (Erforderliche Felder sind mit einem * markiert)