Das Dickicht | Nikolas Kuhl und Stefan Sandrock

BUCHCOVER
Das Dickicht Juha und Lux vom LKA Hamburg ermitteln Aus den Augen verlieren zwischen den Bäumen. Einen Weg durch das Dickicht bahnen. Schatten und Licht vermischen sich in ein nicht eindeutiges Bild. Schemen, Schatten, Reflexionen. Einerseits behindern sie die Sicht, andererseits öffnen sie Lichtungen im Wald der Wahrnehmung. Mitten im Dickicht klart sich es auf. Wie im Plot, sobald das natürliche Dickicht die Welt, die es verbirgt, und damit den Weg in ihre Geheimnisse freigibt.

Die Infos zum Buch

Autoren: Nikolas Kuhl und Stefan Sandrock
Verlag: Rowohlt Verlag GmbH
Übersetzung: ./.
Erschienen: August 2024
Umfang:  336 Seiten
Preis: € 14,00(de)
ISBN: 978-3-499-01428-4

ZIELGRUPPE

Komplexer Kriminalroman mit Ähnlichkeiten zu Genreschockern , z.B. von Karin Slaughter. Die langjährige Suche nach dem Täter, die Frustration der Polizisten, die kein Licht am Ende des Tunnels sehen und in Rente gehen oder krank werden, bevor der Fall aufgeklärt wird, ist eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie realitätsnah die Geschichte sein mag. Mit viel Gespür für die Wirkung von Cliffhangern und Twists auf Leser:innen, die gern rätseln und in die Gedankenwelt der Buchfiguren eintauchen. Introspektion steht hier im Mittelpunkt und die Versuche der Ermittler:innen, den Fall aufzuklären, sind hartnäckig. Wie beim Staffellauf übergibt das alte dem neuen Ermittlerteam die Verantwortung, aber auch die Last, letztendlich die Chance, der Lösung habhaft zu werden.

Kiki’s Rezension: Das Dickicht

EINLEITUNG

Ein mit seinem Privatleben intensiv beschäftigter Polizist wird zu einem Fall gerufen, der ihn an einen alten noch ungelösten Fall erinnert. Eine mutmaßliche Kindesentführung entpuppt sich als Fake und der Versuch, den Eltern, vor allem dem Vater eins auszuwischen und von ihm Geld zu erpressen, doch die Schlussfolgerungen des Ermittlers, bevor die Inszenierung auffliegt, führen ihn zurück zu alten Zeiten. Damals war er noch Assistent eines älteren Polizisten, sie waren in einem Ermittlungsteam, und fanden einen toten Jungen in einem Verschlag im Wald. Viel zu spät, um ihn lebend zu befreien, obwohl die Geldübergabe nach der Entführung geglückt war.

 

 

INHALTSANGABE
Das Dickicht

Juha Korhonen, KHK (Kriminalhauptkommissar) in den Vierzigern, im LKA (Landeskriminalamt) Hamburg, ermittelt zusammen mit seinem jüngeren Kollegen Lux (kurz für Lucas) Adisa in einem alten Fall, der ihm schon bekannt ist. Vor fünfzehn Jahren wurde ein entführter Junge in einem Prepper-Raum im Wald tot aufgefunden, obwohl die Geldübergabe nach seiner Entführung erfolgreich war. Wer waren die Prepper vor Ort und war ihr Hobby so harmlos, wie manche behaupteten? Der Täter wird auf der Grundlage von Indizien ermittelt, kann jedoch nicht überführt werden, weil er vor seiner Verhaftung stirbt. Selbstmord aus Schuldgefühlen? Jahre später kommen den ermittelnden Beamten Zweifel, dass sie den richtigen Täter hatten. Besonders nach einem Gespräch mit seiner Ärztin, die den Mann nicht in der Lage sah, physisch und psychisch ein Verbrechen zu begehen und es damals schon aussagte, ohne viel Beachtung zu finden.

 

Abgeschlossener Fall?

Die Suche kann von vorne beginnen mit allem was dazu gehört, inklusive der Befragung von Zeug:innen, Betroffenen, Angehörigen von Opfer und Täter, die ihre Überraschung nicht verbergen können, warum die Polizei erst jetzt auf die Idee kommt, tiefer und anders zu graben. Diese sind nicht immer freundlich. Bei ihrer Suche erfahren die Ermittler, dass der Kollege, der damals mit dem Fall betraut war, seine Ermittlungen weitergeführt hat nachdem der Fall offiziell abgeschlossen war. Was hat ihn damals stutzig gemacht, dass er sich gezwungen sah, die Hinweise aus der Bevölkerung noch einmal durchzugehen? Er begab sich damit auf einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen und er hat es gewusst. Ging es um den Feuerwehrverein des Ortes, dem mehrere Beteiligte im Fall angehörten? Plötzlich ist der Hinweis einer Augenzeugin wertvoller, als vom zuständigen Beamten damals angenommen. Wer ist der Junge auf dem Foto? Währenddessen wird das Negativ einer Einwegkamera sehr wichtig und schnelles Handeln ist gefragt. Die Ermittlungen führen diesmal zum wahren Täter, einer Kette von Straftaten, nicht alle von einer Person begangen, und mehreren Überraschungen in einem nicht verjährten und immer noch nicht abgeschlossenen Fall.

 

 

INHALTSANALYSE & CHARAKTERISIERUNG

Der Ermittler Juha Korhonen

ist der Zweifler. Er stellt seine Gedanken in Frage, sein Bauchgefühl, seine Schritte. Seine Empathie ist ihm vom Vorteil, doch gleichzeitig steht sie ihm im Weg. Zerrissen zwischen Möglichkeiten, gefangen in Perspektiven, gestärkt durch eigene Erinnerungen, ist er seinem jüngeren Partner Lux (Lucas) gewissermaßen voraus. Schnell, impulsiv, ein überzeugter Realist, trotz allem ängstlich, und ein Meister der Alleingänge. Arrogant, selbstherrlich, unbelehrbar, ein Angeber, so kommt er bei anderen an. Auf der Pirsch nach Details untersucht er sogar Verbindungen zwischen Menschen, die sich nicht persönlich kennen wie zum Beispiel der Täter und die Eltern des Opfers.

 

KHK Juha Korhonen, mit oder ohne Bauchgefühl

Der ausgebildete Scharfschütze Juha, erfahren in Krisensituationen, in denen es u.a. um Einschätzung von Gefahren und Handlungsmöglichkeiten vor Ort geht, verspürt Klärungsbedarf, als die MEK (Mobiles Einsatzkommando) Ersatztruppe zur Unterstützung auftaucht und übernimmt in seiner Funktion als Kriminalhauptkommissar das Kommando. Menschen, nicht selten sogar Zeugen, erinnern ihn an seine Kindheitserfahrungen, die wie er selbst zugibt, aus Bildern und Erzählungen zusammengebaut sein können und seine Wahrnehmung schärfen. Zuweilen versucht er der Wehmut und dem Hang zum Poetischen aus dem Weg zu gehen, die ihn heimsucht, wenn er den Rand der Wildnis streift, um einen klaren Kopf zu behalten. Wenn er nicht schlau wird aus Menschen, vertraut er seinem bislang untrüglichen Bauchgefühl, das für Stimmungen sehr empfänglich ist, obwohl er es gleichzeitig anzweifelt. Dabei beobachtet er den ganzen Menschen, der ihm gegenüber sitzt und ihn ebenfalls beobachtet und nichts sagt. Einerseits die Worte, andererseits Mimik und Gesten, denn er glaubt, das Ungesagte verrät mehr als das Gesagte. Im Nachhinein ist er überrascht über seine Vorgehensweise, die ihn fast immer in lebensgefährliche Situationen führt. Nicht verlegen um Ausreden und mit Verständnis für Betroffene, weiß Juha sich zu behaupten, obwohl er von der eigenen Vorgehensweise nicht überzeugt ist.

 

Kriminaloberkommissar Lucas Adisa, alias Lux

Juha zur Seite steht Lux, der sich von Sympathien für Zeugen nicht beeindrucken lässt, seine Panikattacken in Schach zu halten weiß, eine gewisse Ähnlichkeit mit Jack Reacher beim Abschätzen eines potentiellen Gegners hat und ab und zu besser als ein Kampftaucher medienwirksam auftritt.

 

Der Schmerz der Angehörigen und die Scham der Ermittler:innen

Juha muss sich manchmal überwinden, weitere Fragen zu stellen, auch wenn er Scham empfindet, weil die Angehörigen des Opfers durch Erinnerungen leiden müssen. Alte Wunden aufreißen kommt bei den Hinterbliebenen nicht gut an. Als sie seinen ehemaligen Teampartner Werner vorwerfen, er habe weiter herumgestochert, seine Suche nach Abschluss des Falls fortgesetzt, verteidigt Juha das inoffizielle Eingreifen des damaligen Ermittlers in den Fall. Er findet sich immer wieder in der Lage, extreme Stresssituationen bewältigen zu müssen und von möglichen Verdächtigen überraschen zu lassen. Letztendlich ist er bereit, einen Fall nicht abzuschließen, weil er einfach erschöpft ist. Und Zeit mit seiner Frau verbringen will. Die Person Juha Korhonen ist irgendwie bodenständig, daher ein vielen nicht unsympathischer Charakter.

 

Das Dickicht
FAZIT

In kalten Spuren heiße Hinweise suchen, als würden sie in einem Wirbel aus Staub und Sonnenlicht den Weg durch die Schemen zeigen, ist Juhas und Lux´ Aufgabe. Anfänglich haben sie gar nichts, obwohl sich dauernd irgendetwas ergibt, bei dem sie denken, dies scheint plausibel oder jenes ergibt einen Zusammenhang. Sich verschiebende Perspektiven sorgen für fließende Gedanken- und Handlungsweisen. Erpressung? Totschlag im Affekt? Beihilfe zur Freiheitsberaubung? Schwere Körperverletzung? Fahrlässigkeit mit Todesfolge? Einmal auf den Kopf gestellt, nicht zuletzt dank der Archive und einer Vereinschronik in schwarz-weiß Bildern, tauchen die Ermittlungen aus dem Dickicht, in das sie sich verrannten, auf und führen zum lang ersehnten Abschluss. Als wäre das Leben so.

Der Traum jeder Ermittlungsarbeit, insbesondere wenn sie Jahrzehnte lang gedauert hat, geht in „Das Dickicht“ in Erfüllung, weil das fehlende Glied an der Kette auftaucht. Es wird ein beachtlicher Erfolg begleitet von der positiven Medienpräsenz der Polizei Hamburg, in der Lux bei der Verfolgung eines Verdächtigen inklusive beispielhafter Rettungsaktion gefilmt sowie geteilt zu sehen ist.

Ort der Handlung: Hamburg und Umgebung

Im Wald

KHK Werner Swoboda findet den Jungen in einem Prepper-Verlies. Fünfzehn Jahre später versucht sein damaliger Partner Juha Korhonen den Fall neu aufzurollen.

Rockkneipe, Reeperbahn

Juha und Lux besuchen Juhas Vater, der sich mit alten Autos auskennt, weil sie hoffen mehr über das Fahrzeug auf dem verblichenen Foto zu erfahren

Försterhaus

Juha und Lux besuchen einen alten Förster, der einen Wagen wie der auf dem alten Foto gefahren hat.

Auf dem Weg zur Stadt

Ein Fuchs läuft vor das Polizeifahrzeug. Lux und Juha müssen ihrem Vorgesetzten erklären, warum sie den „Wildunfall mit Dienstwagen“ nicht gemeldet haben.

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