Am Samstag wird abgerechnet | Davide Longo
BUCHCOVER
Am Samstag wird abgerechnet Willkommen in Piemont! In der Abgeschiedenheit der Landschaft, die an Sonne, Stein und Sand erinnert. Wie die Elemente im Zusammenspiel mit den Tages- und Nachtzeiten changieren, umgeben von gelborange bis rosarot. Mittendrin in einer Vegetation des Berggrüns, das seines Gleichen sucht und Schatten rasch aufnimmt, als wäre es ein Schwamm. In dieser natürlich eindrucksvollen, oft besuchten und doch entfernten Zivilisation, die vielen Interessierten bekannt sein dürfte, versucht ein Kommissar aus Turin in einem abgelegenen Ort, wie diesem auf dem Umschlagbild, einen Mord aufzuklären und eine Vermisste zu finden. Eine Aufgabe, die ihre Tücken hat, denn sein größter Kontrahent sind die ihm unbekannte Infrastruktur zwischen Tradition und Moderne gepaart mit der Reserviertheit der Einheimischen. Und ein zu allem entschlossener Täter.
Die Infos zum Buch: Band 4
Autor: | Davide Longo |
Verlag: | Rowohlt Verlag GmbH |
Übersetzung: | Barbara Kleiner und Felix Mayer |
Erschienen: | Juli 2024 |
Umfang: | 560 Seiten |
Preis: | € 26,00 (de) |
ISBN: | 978-3-498-00371-5 |
ZIELGRUPPE
Die facettenreiche Verbrecherjagd, die zwischen Stadt und Land pendelt mit einem Abstecher in die italienische Hauptstadt bringt die piemontesische Lebensweise näher an Leser:innen und macht neugierig auf noch unbekannte Landflecken, die auf ihre Entdeckung warten. In die Wildnis des entdeckten unentdeckten Touristenmagneten platziert der Kriminalroman Natur, Menschen und von Menschen geschaffene Bau- und Kunstwerke in den Mittelpunkt. Und vergisst nicht die menschlichen Tragödien, die in ihrer Funktion als Schockelement den Plot abrunden.
Kiki’s Rezension: Am Samstag wird abgerechnet
EINLEITUNG
In Turin zu Hause, in Piemont unterwegs. Ein Liebhaber von Stunden fern des Berufs springt ins kalte Wasser eines Falls in entferntem Tatort eines piemontesischen Kleinortes, der keine Lust verspürt entdeckt zu werden. Nicht von der Polizei und auch nicht von Tourist:innenströmen. Wohl behütet zwischen Religion und vorchristlichen Riten ist dieser Ort ein Kleinod. Und Turin sein Pendant mitten in einer Geruchskulisse aus Schlamm auf Stein, Eisen und Blei.
Mit Liebe zu seinen Orten, wobei der Sympathie für Turin die Antipathie für Rom in nichts nachsteht platziert der Kriminalroman detailverliebt das piemontesische Bergdorf der Geschichte, das sogar in Dokumenten der Vatikanarchive Erwähnung findet, in den Mittelpunkt des Plots und erzählt von einer unendlichen Liebe, die nicht verjährt und jede Pore füllt, verhüllt im Nebel wie das Dorf selbst.
INHALTSANGABE
Am Samstag wird abgerechnet
Commissario Vincenzo Arcadipane bekommt einen Anruf, der ihn aus der Wärme des gemeinsamen Bettes mit seiner Freundin Ariel in die Ungewöhnlichkeit einer Angelegenheit außerhalb seines Distrikts führt. Ein Filmproduzent ist in der Nähe des Ortes Clot, im Alve-Tal, Provinz Cuneo, südliches Piemont, in seinem Wagen ermordet aufgefunden. Von seiner Frau, die Beifahrerin war, fehlt jede Spur. Was suchte das Turiner Paar im Niemandsland, das irgendwann in den fünfziger Jahren stehengeblieben ist? Die vermisste Ehefrau stammte aus dem Ort und hatte vor, ihn zu besuchen. In Begleitung ihres Mannes, wie es scheint. Warum sind Mann und Frau auf diese Alm hinaufgefahren? Siebenunddreißig Einwohner:innen haben nichts gesehen und auch nichts gehört.
Die Straßensperre
Die Polizei errichtet eine Straßensperre und begründet sie vorerst mit einem Erdrutsch. Schaulustige und Lokalreporter:innen haben keine Chance das abgeschirmte Dorf zu erreichen. Polizei, Carabinieri, Zivilschutz, Feuerwehr, Bergwacht und freiwillige Helfer sind unterwegs, die Frau zu finden, die zugesehen hat, wie ihr Mann ermordet wurde. Währenddessen entdecken Erntehelferinnen ein verlassenes Auto, das einer Frau gehört, die spurlos verschwunden ist. Anfangs ist es nichts Aufsehen erregendes, eine unscheinbare Person ohne Laster verschwindet, keine Angehörigen, und die örtliche Polizei archiviert den Fall, denn es gibt viele Leute, die verschwinden. Aber zwei vermisste Frauen, beide aus Clot, ist kein Zufall mehr für einen kleinen Ort dieser Größenordnung.
Der Geburtsort einer Schauspielerin
Vor vielen Jahren war Vera Ladich eine gefeierte Schauspielerin, die von Erfolg verwöhnt auf Leinwandauftritte verzichtete, bevor sie alt wurde. Sie lebte abgeschieden und wollte nicht erkannt werden. Commissario Arcadipane hat keine Zeit zu verlieren, denn die verschwundene Ehefrau ist wahrscheinlich Opfer einer Entführung und in Lebensgefahr. Zwischen Tür und Angel sucht der Kommissar nach Hinweisen aus der Vergangenheit der Schauspielerin, die für kurze Zeit ein Filmstar war.
Die neue Identität
Ihm entgeht ihre neue Identität nicht, die sie annahm, als sie sechzehnjährig den Ort verließ und Terenzio Fuci, dem Filmproduzenten, folgte. Er geht davon aus, dass sie noch am Leben ist. Die Suche des Polizisten ist einsam, denn die Einheimischen schweigen oder ihre Worte sagen wenig aus. Alle hätten geschlafen, als der anonyme Anrufer die Tat meldete. Ist er einer von den Dorfbewohnern oder ein Besucher? Jedenfalls versteckt er sich hinter geschlossenen Gardinen und profitiert vom Schweigen. Auch die Stimmanalyse ergibt nichts, weil die Stimme des Anrufers zu verstellt war. Auch nach Aufhebung der Straßensperre verbarrikadieren sich die Einheimischen in ihre Häuser, die keine Klingel haben und lassen sich von Neugierigen nicht stören.
Die archaischen Strukturen des Ortes, mündliche und schriftliche Überlieferungen, geheim gehaltene Traditionen, geheimnisvolle Fresken in der Dorfkirche ohne Turm aus dem dreizehnten Jahrhundert, in der seit Jahren keine Messe zelebriert wird, ein tödlicher Unfall vor vielen Jahren, ein Staudamm, den die Politik verantwortete, ein Augenzeuge, der schweigt und gestohlener Sprengstoff für Bau- und Steinbrüche sind lediglich einige der Elemente einer Geschichte über den Willen zur Freiheit und eine unvergessliche Liebe, die nicht imstande ist zu verzeihen.
INHALTSANALYSE & CHARAKTERISIERUNG
Der tierliebe Arcadipane hat ein Herz für Hunde in Not. Ob mit drei Beinen und verhaltensgestört wie sein Hund Trepet oder entlaufene, die ein Zuhause bei verständnisvollen Menschen suchen. Seine Zuneigung für seine Freundin Ariel ist groß, doch er ist zaghaft, wenn sie zusammen sind. Nichts täte er lieber, als ihr den Hof zu machen. Ariel hat die Initiative in der Beziehung. Sie besitzt die Fähigkeit, verbale und nonverbale Signale zu senden, wie bei einem unerwarteten Regenschauer. Mit seiner Ex-Ehefrau pflegt Arcadipane regelmäßigen Kontakt. Wohl fühlt sich Arcadipane unter Kleinkriminellen, die jenseits der Ausübung ihres Berufs anständige Leute sind. Vom Glück umgeben nimmt er es manchmal wahr und ermittelt beseelt und tatkräftig mit viel Sinn für Schwingungen. Laut Presse sollte man sich vom unauffälligen Äußeren des fünfundfünfzigjährigen Kommissars aus der Basilikata nicht täuschen lassen.
Der Ex-Polizist und Mentor
Arcadipanes Mentor Bramard, der pensionierte Polizist, der nach seinem einzigen nicht gelösten und auch sehr persönlichen Fall den Dienst quittiert, steht ihm zur Seite und reist nach Clot, unheilbar krank, um Teil der Ermittlung zu werden, inoffiziell versteht sich. Die Obsession, seinen Beruf auszuüben, hat er von seinem Mentor Bramard geerbt. Dieser Beruf verbindet die beiden und macht es ihnen möglich, Fäden zusammenzuhalten, die sogar Vorsichtsmaßnahmen lockern können. Arcadipane kann nicht still sitzen, wenn er mit einem Fall befasst ist. Er dreht buchstäblich jede Münze um, denn versteckte Hinweise sind der Weg zum Täter. Und findet sogar fremde Fingerabdrücke, wo es sonst keine gibt.
Die Person des Täters
Dabei achten seine Truppen, die in der Gewerkschaft sind, darauf, keine Überstunden zu machen, denn sie werden nicht mehr bezahlt. Der Fall muss mit wenig Personal gelöst werden. Zusammengewürfelt aus seinem mehr oder minder schlechtgelauntem doch für den Fall nützlichem Bekanntenkreis kommt er der Person des Täters näher als es ihm lieb ist, denn er erwischt sich dabei, wie er Verständnis hat für diesen Täter, der bereit ist zu lügen, um einen geliebten Menschen zu beschützen. Der Täter ist sogar bereit zu töten, um zu sein wie er leben will. Und er hat Unterstützer, die alles tun, um ihn zu decken, bis er sein Ziel erreicht hat. Sogar ein falsches Geständnis sind sie bereit abzulegen. Damit der Täter noch eine Tat vollbringt, auf die er vermutlich sein Leben lang gewartet hat.
Am Samstag wird abgerechnet
FAZIT
Melancholie macht gleichzeitig müde und wach, Zynismus schützt vor Schlechtigkeit, die in Versuchung führt. Und das Böse verliert seine Konturen an der Grenze zum Guten. Der Retter in der Not ist der gut vernetzte Kommissar, der Himmel und Hölle weiß zu bewegen, um der Lösung habhaft zu werden.
Ein abgeschiedener Ort voller Fremder, zumindest zeitweilig. Nur zu Fuß zugänglich. In die Jahre gekommen. Ohne Dachrinnen. Voller Schlamm. Fabulieren die Einheimischen die Vergangenheit ihres Ortes zusammen? Besteht ein Sicherheitsrisiko bei seinem Staudamm, weil er an verkehrter Stelle errichtet wurde? Dieser Ort ist Tatort und Schauplatz zugleich. Mit oder ohne Landkarte ein Rätsel für die Suchtruppen der Polizei, weil so einiges nicht vermessen ist.
Einem Sandsturm ähnlich, vielleicht sogar wie eine Schlammlawine, fegt die Spannung über den Köpfen der Beteiligten, Buchcharakteren und Lesepublikum versperrt sie die Sicht, bis zum unausweichlichen Ende.
Ort der Handlung: ein Bergdorf mit Staudamm, Piemont, Turin, Rom, Italien
Staudamm, in der Nähe des Bergdorfes, Piemont
Der Ingenieur und seine Frau kamen in den frühen sechziger Jahren beim Einsturz des Stollens um.
Carabinieri Station Alve, Piemont
Hier geht der anonyme Anruf über den Toten ein.
Rom
Arcadipane besucht die Klinik, in der der Bruder der Schauspielerin untergebracht war, die Filmproduktionsfirma und das Bauunternehmen, das den Staudamm gebaut hat.
Kirche von dem Bergdorf, Piemont
Die Fresken, im 16. Jahrhundert von einem holländischen Meister gemalt, geben Rätsel auf, besonders das Bild der Madonna.