Lebowskis Knochen | Vincent Maillard
BUCHCOVER
Lebowskis Knochen
Ein Kuchen aus mehreren Schichten. Entwurf einer Legolandschaft. Fundamente eines (Hoch)hauses.
Moderne Trutzburg, Klotz von Architektenvilla, der über zahlreiche große Fensterfronten verfügte, die auf mehrere Terrassen hinausgingen.
(S. 11)
Elemente eines Ganzen. Episoden wie aus einem Film. Autor, Buchtitel, Genre, Übersetzung, Verlag. Die Angabe zur Übersetzung ergänzt die üblichen Informationen. Größtenteils erdfarben.
Von Menschen errichtete Gebäude, Steine, die im Laufe der Zeit mit Erde bedeckt worden waren. Wie die Überbleibsel einer aus Kieseln erbauten Burg am Strand.
(S. 15)
Der eigentliche Held dieses Kriminalromans ist Lebowski, der Labrador Retriever des Erzählers. Er thront sichtbar neben dem Pool.
Ein dickes, träges, blondes Etwas lag ständig schlapp in der Gegend herum.
(S. 10)
Das Buchcover gibt Leser:innen einen Vorgeschmack auf das Naturell dieses apathischen Wesens. Ohne Knochen. Dieser fehlt auf dem Bild. Und gibt in der Geschichte Rätsel auf. Vorerst an der Oberfläche. Im Nachhinein unterhalb des Scheins und der angedachten Perfektion der Kulisse. Erst durch Lebowski, der die echte Spürnase in diesem Buch ist, kommt die ganze Geschichte ans Licht.
Die Infos zum Buch
Autor: | Vincent Maillard |
Verlag: | Edition Nautilus GmbH |
Übersetzung: | Cornelia Wend |
Erschienen: | März 2024 |
Umfang: | 224 Seiten |
Preis: | €18,00 (de) |
ISBN: | 978-3-96054-342-8 |
ZIELGRUPPE
Skurrile Szenen um einen ausgebuddelten Knochen, den sogar der lethargische Labrador Lebowski nicht hergeben will, sind um einen Plot aufgebaut, der detailverliebt als auch exzentrisch seinesgleichen sucht. Halbwegs ernstzunehmende Töne über Möchtegerndetektive, die sich in unübersichtliche Situationen verheddern und immer einen Ass im Peto zu haben scheinen. Das Bauernopfer ist leider der Hund. Wermutstropfen und kritischer Blick über Hundehalter und Hundehasserinnen. Schräge Charaktere, die in dem ausgesucht bizarren Plot glaubwürdig erscheinen.
Kiki’s Rezension: Lebowskis Knochen
EINLEITUNG
Die hoffnungslos mysteriöse Handlung wird am Ende unwichtig. Ausgenommen dem Hund, der im Laufe der Geschichte seinem Schicksal überlassen und vergessen wird, denn er bleibt seinem Fund treu. Der Gärtner Jim Carlos trauert seinem ehemaligen Gefährten Lebowski in seinen Heften nach. Im Leben nach Lebowski findet er bald Trost. Schicksalsergeben berichtet er von den Geschehnissen, abgeklärt, distanziert und emotionsfern.
INHALTSANGABE
Lebowskis Knochen
Landschaftsgärtner Jim Carlos, spezialisiert auf ökologische garantiert pestizidfreie Gemüsegärten, bekommt den Auftrag, das luxuriöse Anwesen der Familie Loubet mit einem Gemüsegarten anzureichern, ihrem Bedürfnis nach einem ökologisch bewussten Konsum zu befriedigen. Stets von seinem lethargischen Hund Lebowski begleitet beginnt Jim mit der Arbeit und entdeckt – dank Lebowski – einen Oberschenkelknochen. Der Fund lässt den Gartenperfektionisten keine Ruhe und Familie Loubet ist ihm suspekt. Arnaud, Chefredakteur bei einem Nachrichten-TV-Magazin und Laure, Professorin für Wirtschaftswissenschaften, die stets Rücksicht auf ihre hundephobische Tochter Amandine nehmen. Jim stellt Nachforschungen an und geht dem Geheimnis um den Knochen nach. Trotz des Widerstands seiner Auftraggeber:innen.
Das wahre Gesicht der Familie
und deren zwei Töchter, von denen die eine vergöttert und die andere (Jeanne) totgeschwiegen wird, verbirgt sich hinter dem Image von Perfektion, verdientem Erfolg und des Wunsches, mit einem Touch von Ökologie das Bild abrunden zu wollen. Wenig später ist der leidenschaftliche Gärtner und noch leidenschaftlichere Hobbydetektiv selbst verschwunden. Die einzige Spur sind Jims Notizbücher, in denen er die seltsamen Begegnungen mit den Loubets festgehalten hat. Sie sind der Schlüssel, das Rätsel des aufgetauchten Oberschenkelknochens, der von einem Menschen stammt, zu lösen.
INHALTSANALYSE & CHARAKTERISIERUNG
Die Rolle des tollpatschigen Antihelden bekleidet in dem Buch der Labrador Retriever Lebowski.
Sein lethargisches Wesen wacht ein einziges Mal auf, als der Hund den Knochen ausbuddelt. Den spontanen Knochenfund kann er nicht lang genießen. Vorübergehende Besitzansprüche halten ihn wach. Sobald er den Knochen vergisst, taucht er wieder ins Nirwana des Hundeschlafs ein. Der Hund ist von seinem Halter abhängig. Seine bedingungslose Treue macht ihn verletzlich und er geht langsam zu Grunde, weil er seine Nahrung nicht selbstständig suchen kann. Ohne Pathos. Teilnahmslos. Ohne mit der Wimper zu zucken.
Jims Monologe
Sein Besitzer Jim Carlos übernimmt den aktiven Part, der in die Privatsphäre der auftraggebenden Familie herumschnüffelt, denn der Knochenfund ist menschlich und der Garten womöglich ein Friedhof. In seinen Heften berichtet er von den Ereignissen und erklärt sein Engagement. Er ist ein penibler Naturliebhaber, der mit viel Pathos seiner Beschäftigung nachgeht. Unfreiwillig zum Detektiv geworden, denn sein Charakter zwingt ihn dazu, Nachforschungen anzustellen, schafft er die düstere Atmosphäre mit Worten zu beschreiben. Seine Monologe hält er fest. Gespräche gibt es wenig in dieser Geschichte.
Das Geheimnis um seine eigenartige Beziehung zwischen dem bourgeoisen, auf Harmonie bedachten Paar, und ihm dem Gärtner, den sie beliebig für einen Imbiss zu sich an den türkisfarbenen Pool rufen, wo er die Rolle des wortkargen Proletariers einnimmt, wird dank des geschriebenen Worts gelüftet.
Gleichgewicht zwischen Situationskomik und Situationstragik
Surreal, extravagant, teilweise komisch oder sogar morbid, düster, spielt der Plot mit schrillen Tönen. Auch in diesem Plot wird eine als schwach wahrgenommene Institution der Polizei herausgefordert. Mit wenigen Spezialeffekten schleicht sich die Anspielung auf die Angst vor einer sich einschleichenden Gefahr ins Bewusstsein, z.B. die irrationale Angst vor einem Hund, der mehr Ähnlichkeit mit einem Kuscheltier als mit einem Tier hat. Die Differenzierung zwischen Situationskomik und Situationstragik, die erstaunlich nah beieinander stehen können, hält das Gleichgewicht.
Lebowskis Knochen
FAZIT
Die Hommage an einen Hund, der nur eins kann: dösen. Und gelegentlich Knochen ausbuddeln. Die Geschichte ruht in sich wie der Hund Lebowski. Vor allem ist sie jedoch eine Hommage an den Kriminalroman und wie er sich selbst wahrnimmt, eine Verbeugung vor seinen Mitwirkenden wie Bauelemente eines Musterbeispiels mit besonderer Betonung auf die Übersetzung als „Ausgrabungstechnik“.
Mit leicht zusammengekniffenen Augen, ohne zu wissen genau warum, machen sich die Buchfiguren über sich selbst lustig.
Ein Kriminalroman, der auf seiner ganz eigener Weise poetisch ist.
Ort der Handlung: Ein großes Haus mit großem parkähnlichen Garten in Frankreich
Der Südpark des Anwesens der Familie Loubet
Dort, wo der Biogarten nicht entstehen soll, weil die Auftraggeber es nicht wünschen, buddelt Lebowski den Knochen aus. Ein Vermisstenfall?
Doussac, Charentes
Jim Carlos sucht die zweite Tochter seiner Auftraggeber, über die sie nicht gern sprechen und unternimmt eine Autofahrt durch Frankreich.
Plouzanec, Finistère
Jims Ex-Freundin Claire stellt eine Vermisstenanzeige, als Jim länger als eine Woche nicht ans Telefon geht, obwohl sie verabredet waren.
Chemin des Vendoux
Die Polizei fährt zu Jim Carlos Haus in der Gemeinde Plessis-en-Vexin und macht einen grausigen Fund.