Unsichtbare Tinte | Patrick Modiano
BUCHCOVER
Unsichtbare Tinte Wenn ich das Buchcover betrachte, ist es als ob ich Negative in einer Dunkelkammer sehe, die auf ihre Entwicklung warten. So meine Erinnerung, wie Bilder gemacht werden. Vor allem das Foto des Beifahrers. Es kann aber auch eine Beifahrerin sein. Ist es verschwommen, weil die Erinnerung es unscharf gemacht hat? Was wäre wenn die Rückseite die eigentliche Frontseite ist? Jahre alt? Oder ist sie jung? Schnell oder langsam? War das gestern? Oder ist es heute?
Bewegliche Quadrate bilden ein unvollendetes Puzzle. Verschwommene Details, Schatten von Leuten, Fotografien von Menschen, die tot sind, Flucht und eine Kraft, mit Lücken das Gedächtnis zu füllen.
Wie ein Bildschirm voller Puzzlestücke und wie eine Karte von Orten entsteht ein Wimmelbild. Und ein Memory Spiel.
Die Infos zum Buch
Autor: | Patrick Modiano |
Verlag: | Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG |
Übersetzung: | Elisabeth Edl |
Erschienen: | 2021 |
Umfang: | 144 Seiten |
Preis: | € 19,00(de) |
ISBN: | 978-3-446-26918-7 |
ZIELGRUPPE
Leise aber intensiv. Die Leser dieses Buchs werden den Verdacht nicht so einfach los, dass der gesuchten Frau etwas zugestoßen ist. Der Effekt der Überraschung wird die Hobby-Detektive es sich vielleicht anders überlegen lassen. Es ist ein raffiniertes kleines Buch über Täuschungen, Enttäuschungen und Hoffnung auf ein Leben nach der Erinnerung. Und zusätzlich ein Spiel mit Nuancen.
Kiki’s Rezension: Unsichtbare Tinte
EINLEITUNG
Es ist eine Geschichte, die jedem passieren kann. Eine Frau verschwindet. Sie wohnte in der Stadt und auf einmal ist sie nicht mehr da. Es gibt Informationen über sie. Ihre Männer. Die wechselnden Namen. Persönliche Wohnorte. Wo sie auftaucht, warten Erinnerungen an eine alte Bekanntschaft, an die wahre Identität und viel Hoffnung. Auf Sonne und Gespräche im Jetzt. Über Spiele mit Konstrukten und den Sinn des Suchens.
INHALTSANGABE
Unsichtbare Tinte
Jean Eyben bekommt als junger Mitarbeiter in einer Detektei den Auftrag, bei einem ungelösten Fall zu helfen. Die Detektei schlägt den Wunsch des Kunden nicht aus und der Chef delegiert den Auftrag. Eine Frau wird vermisst und es besteht der Verdacht, dass sie Opfer eines Verbrechens wurde. Der Fall lässt Jean nicht los. Er verbeißt sich in die Geschichte. Währenddessen erfährt er mehr über den damaligen Klienten der Detektei und ein wenig über die verschwundene Frau. Was nicht zur Aufklärung beiträgt sind Details, die vielleicht wichtig für die Geschichte, doch weniger wichtig für die Lösung des Rätsels um ein spurloses Verschwinden sind.
Nur der Ermittler versucht die Frau aufzuspüren. Aber warum? Liegt ein Verbrechen vor? Oder geht es um diesen speziellen Klientenwunsch? Lebt die Frau unter einem anderen Namen? Welcher Name ist richtig?
INHALTSANALYSE & CHARAKTERISIERUNG
Straßen ohne Nummer erschweren die Suche des Ermittlers. Ab und zu stehen Firmen oder Vornamen mit Nummer da.
Zum Beispiel:
Rue de la Felicité, Boulevard Brune, Rue Cognacq-Jay, Pruniers-en-Sologne.
Es sind ganz viele Fährten in einem Leben, von dem stets die anderen erzählen. Anhaltspunkte, die einerseits die Suche erweitern und andererseits in Sackgassen führen. Briefe schreiben gehört zum Plot. Senden und empfangen auch. Nur der Empfänger scheint ein anderer zu sein. Erinnerung und Vergessen sind wie eine Reise. Überquert sie Grenzen, verwischt sie Trennungslinien und verschüttet Gewissheit. Über das, woran man sich erinnert hat.
Ein langer Schlaf tritt ein oder man wacht abrupt auf, wenn der Ort den Impuls an das Gedächtnis gibt.
Buchcharaktere
Der Ermittler
Der Ermittler bleibt Ermittler. Auch nach vielen Jahren identifiziert er sich mit dem Fall und mit seiner Rolle darin. Es ist so, als ob er eine Chimäre sucht. Er verkörpert eine Doppelrolle: die Rolle des Detektivs, später des Ex-Detektivs und die von ihm erfundene Rolle des Freunds der verschwundenen Frau.
Dabei baut er ein Kartenhaus aus Lügen. Dieses stürzt nicht ein, sondern wächst mit neuen Kartenebenen in die Höhe. Eine neue Ebene ist eine Extrastufe und die Details unterstützen die Basis.
Während seiner Suche emotionalisiert er das Wetter und schafft eine intensive Atmosphäre der Erwartung auf die gesuchte Person. Vielleicht wird ein Lebenszeichen von ihr kommen, es geht ihr bestimmt gut.
Er kommentiert auch Wegbeschreibungen, die er benutzen muss, um seinen Weg in einer Gegend zu finden, die ihm vor langer Zeit vertraut war.
Details verhüllen die Erinnerung an andere Ereignisse wie die Spritztour mit einem amerikanischen Wagen. Die Erinnerung ist selektiv. So gibt es auch Leute, die nicht an die Vergangenheit erinnert werden wollen.
Das Rätsel der verschollenen Frau
Ist alles erfunden? Ist diese Frau, tot und wenn ja, wozu braucht sie verschiedene Namen? Sind die Namen „Behavior“ oder „Lefebvre“ Tarnungen für ihre wahre Identität oder hat sie vielleicht keine Identität? Sie ist doppelt untergetaucht durch den unbekannten Namen und durch den unbekannten Aufenthaltsort.
Ist der Name
Noellenur ein Platzhalter? IstRomihr neuesParis?
Sie ist beunruhigt wegen der Vergangenheit, die aufgetaucht ist. Verbindet Bilder und Gesichter nicht mit Namen, die sie mal gekannt hat. Ihre Gegenwart applizierte die unsichtbare Tinte auf die Vergangenheit und machte sie unsichtbar. Vorbei. Nichts. Vergessen.
Unsichtbare Tinte
FAZIT
Die unsichtbare Tinte hält Erinnerungen unter Verschluss, die sie gelöscht hat. Haben einer oder mehr als einer an diesem Erinnerungsfest teilgenommen? Aus welchen Gründen ist diese Frau wichtig für alle, denn sie vergessen nicht ihren Namen? Den einen Namen oder den anderen Namen? Obwohl sie sehr schnell verblasst, bleibt das Gedächtnis lebendig.
Die Gegenwart besteht aus Fixpunkten. Es gibt keine Veränderung.
Inzwischen fährt die Vergangenheit wie ein schnell vorbeifahrendes Auto, das Fixpunkte unlesbar macht.
Wie in einem Lied ist der Refrain die Wiederholung. Der Refrain ist die Vergangenheit, an die sich niemand erinnert. Die Wiederholung des Vergessens.
Die Jagd nach einem Phantom. Das Rätsel einer doppelten Identität beschäftigt einen Detektiv sein Leben lang. Wer ist die Frau, die wie vom Erdboden verschluckt wurde?
Orte der Handlung: Frankreich und Italien
Annecy
Der Geburtsort von Jean, dem Detektiv, und von Noelle, der Frau, die er sucht.
13, Rue Vaugelas, Paris
Noelle und Roger wohnen dort, bevor sie beide kurz nacheinander spurlos verschwinden.
Rue des Mathurins
Jean findet dort ein Filmjahrbuch mit seinem alten Bekannten Gérard und erfährt über einen Kontakt, dass er zwei Adressen hatte. Gérard kannte die verschwundene Noelle. Es ist nicht sicher, welche Rolle er in der Affäre gespielt hat.
Via della Scrofa, Rom
Der Weg Jeans führt ihn nach Rom zu einer Kunstgalerie, die gerade Nachtaufnahmen von Straßen und Plätzen Roms ausstellt. Dort erlebt der Detektiv eine Überraschung.