Flüchtiges Begehren | Donna Leon

BUCHCOVER
Flüchtiges Begehren Ein Haus, ein Boot. Es ist das Fortbewegungsmittel in Venedig. Es geht sehr viel um Boote in Brunettis dreißigstem Fall „Flüchtiges Begehren“. Ausflugsboote. Motorboote. Transportboote. Kreuzfahrtschiffe. Boote in der Kunst. Motorisierte Polizeieinheiten. Flüchtlingsboote. Und diese Stellen in der Lagune, die des Schmuggels wegen befahren werden.

Die Infos zum Buch

Autor: Donna Leon
Verlag: Diogenes AG
Übersetzung: Werner Schmitz
Erschienen: Mai 2021
Umfang: 320 Seiten
Preis: € 24,00 (de)
ISBN: 978-3-257-07120-7

ZIELGRUPPE

Neben den unzähligen Donna Leon Leser:innen und den Venedig Fans liest sich der Krimi wie eine Vorstellung unbekannter Seiten der Lagunenstadt. Für alte und neue Besucher:innen. Unterwegs sind die Reisenden zu Fuß oder mit dem Boot. Es ist das Verkehrsmittel schlechthin auf der Wasserseite. Das Buch ist aktuell durch die Flüchtlingsproblematik. Insbesondere, weil Flüchtlinge unbemerkt näher kommen. Und die Ufer erreichen, wenn sie bei der Flucht nicht ihr Leben verlieren. Das Buch ist ausgestattet mit Details über die Struktur der venezianischen Polizei und ihre Zusammenarbeit. Das Wissen über kriminelle Organisationen jenseits der Mafia mit Ortsangabe ist Teil der Handlung.

Der Plot beginnt mit dem Thema „unterlassene Hilfeleistung“. Aber es ist nicht der einzige Schwerpunkt, der den Lauf der Geschichte beherrscht.

Kiki’s Rezension: Flüchtiges Begehren

EINLEITUNG

In Commissario Brunettis dreissigstem Fall trifft die Leserin auf einen vielseitigen Fall. Sie erfährt dabei von der Geschichte Venedigs als Weltmacht. Der Commissario stolpert über seine eigenen geheimen Vorurteile, die in diesem Fall Neapel, die Neapolitanerinnen und das neapolitanische Sprachidiom betreffen. Währenddessen gleiten Boote über das Wasser. Manche sogar geräuschlos. Der Batteriebetrieb soll sie leise machen. Das ist sogar ein Vorteil für Ermittlungsboote, die Schmuggler:innen verfolgen.

 

INHALTSANGABE

Flüchtiges Begehren

Zwei junge Frauen lernen zwei junge Männer mitten in Venedig kennen. Das Quartett beschließt eine Bootsfahrt in die Lagune zu unternehmen. In der Dunkelheit passiert ein Unfall und eine der Frauen wird schwer verletzt. Ihre männlichen Begleiter geraten in Panik und fahren mit den Frauen auf die Anlegestelle des Krankenhauses Ospedale Civile. Sie laden die Frauen aus. Und legen sie auf dem Steg hin. Sie drücken den Alarmknopf. Ohne abzuwarten, ob Krankenhauspersonal den Steg betritt, fahren sie mit dem Boot weg. Die Polizei ermittelt in einem scheinbar gewöhnlichen Fall von „unterlassener Hilfeleistung“. Dieser schlägt höhere Wellen als das Wasser der Lagune. Und das nicht nur, weil der Alarmknopf vor der Notaufnahme des Krankenhauses außer Betrieb war.

 

INHALTSANALYSE & CHARAKTERISIERUNG

Brunetti kollidiert mit seinen Ressentiments gegenüber anderen Regionen Italiens. Ihr Ruf eilt ihnen durch die Medien im voraus. Und er muss einsehen, dass Arbeitsort und Heimatgefühl sich nicht vereinbaren. Ein Venezianer fühlt sich in Neapel nicht unbedingt heimisch. Und eine Neapolitanerin fühlt sich in Venedig nicht wohl, nur weil sie dort arbeitet. Die Frauenrollen in den Polizeireihen sind dynamisch aber auch kontrovers. Vor allem sind sie durch ihre sozialen Kontakte wertvolle Ergänzungen einer Stadt am Ufer.

 

Brunettis Gegner

Im späteren Verlauf der Geschichte begegnet Brunetti seinen Kontrahenten. Es ist ein Mensch, der gelernt hat, sich alleine durchzuschlagen. Sein Geld verdient er mit illegalem Handel von Menschen und Drogen. Ihm fehlt der Respekt vor anderen Menschen und besonders Frauen. Er verachtet das Leben. Gleichgeschlechtliche Liebe verabscheut er. Gier ist sein Motiv. Das Relikt aus einer anderen früheren Epoche ist trotzdem ein Teil der Gesellschaft. Seine kriminellen Geschäfte werden verschwiegen. Bis die Polizei auf ihn aufmerksam wird. Allerdings gibt es keine Zeugen und keine Beweise.

 

Brunettis Trick

So entscheidet sich Brunetti für eine Maskerade, um diesen Mann in die Falle zu locken. Das Täterprofil erstreckt sich auf eine bunte Palette von Straftaten. Fehlende Alibis erschweren die Arbeit der Polizei. Und ein Charakter, der sogar vor Mord nicht zurückschreckt, macht es den Polizisten nicht einfach. Denn er sieht und glaubt sich im Recht, dass er der Strafe entgehen wird.

 

THEMEN

Die Polizeidirektionen Venedigs

Der Arbeitsplatz beginnt mit dem Ausblick. Wenn Zeit ist ihn zu genießen. Hier zieht die Questura (Mordkommission) mit ihrem Blick auf eine Brücke den Kürzeren. Denn die Carabinieri haben vielleicht nicht den schönsten, aber dafür einen funktionalen Bau an einem Gewerbegebiet Venedigs. Und die Guardia Costiera, das ist die Küstenwache, punktet mit maßgeschneiderter Kunst über die Geschichte Venedigs. Den atemberaubenden Blick über die Lagune nicht zu vergessen.

 

Kupferplatten auf Booten

Steuerhinterziehung. Menschenhandel. Die zwölf-Meilen-Zone, das sind internationale Gewässer, wird mit den Zuständigkeiten der Polizei vorgestellt.

Mit Kupferplatten versehene Boote, die mit diesem Trick Radaren ausweichen.

 

Das Wissen über Gezeiten

Der Verkauf von Anlegestellen, während sie in Familienbesitz sind. Gezeitenkenntnisse, die an manchen Stellen überlebenswichtig sind. Transportboote. Passagierboote.

Brunetti erlebt, wie wenig er über Geschehnisse auf dem Wasser, Verhalten und Boote weiß. Er verliert sogar zwischendurch die Orientierung.

 

Heizung im kalten Venedig

Aber auch das Mietrecht bekommt einen Platz in diesem Krimi. Die Vermieterin ist ab einem gesetzlich festgelegten Zeitpunkt verpflichtet die Heizung anzustellen. Wenn es früher kalt wird, müssen Mieterinnen ohne Wärme aus den Heizungskörpern auskommen.

 

Flüchtiges Begehren

FAZIT

Ein ernüchternder Blick auf Venedig und das Venetto. Romantische Augenblicke verschwinden nicht. Aber die Realität erdet den Traum von der Traumstadt. Im Kontrast stimmen die vielen kleinen Köstlichkeiten aus der Küche sogar nachdenklich gewordene Leser:innen beseelt.

Donna Leons Plauderton, in dem sich die Spannung verbirgt, verwandelt den Alltag Venedigs und den Alltag seiner Polizeidirektionen in ein Aufwachritual für müde Lesegeister.

Ort der Handlung: Venedig, Italien

Giudecca

Eine kleine Inselgruppe im Süden der Stadt Venedig ist Teil des historischen Stadtzentrums von Venedig. Sie besteht aus neun Einzelinseln, die durch Kanäle voneinander getrennt sind. Die Giudecca ist in der deutschsprachigen Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts ein viel zitierter Ort.

In der Giudecca hat im Krimi „Flüchtiges Begehren“ die Küstenwache ihre Zentrale. Am Kanal Rio del Ponte Lungo unterhält ebenfalls im Krimi Borgato sein Frachttransportunternehmen.

Mestre

In diesem industriegeprägten Teil der Stadt Venedig liegt die schwerverletzte Lucy Watson im Krankenhaus Ospedale de l´Angello. Das Krankenhaus erinnert Brunetti an ein großes Schiff.

Cortelazzo

Hier mündet der Fluss Piave in die Lagune. Der Countdown im Krimi „Flüchtiges Begehren“ findet dort statt.

Sacca Fisola

Auf dieser Insel befindet sich im Krimi „Flüchtiges Begehren“ der Sitz der Carabinieri. Die Insel wird ausschließlich als Wohngebiet benutzt. Die Einwohner:innen fahren mit Vaporetti, das sind dieselbetriebene Motorschiffe, zur Arbeit und kehren abends zurück. Die Autorin beschreibt die Insel, die zum Stadtteil Dorsoduro gehört, als trist, umgeben von Schloten und schreibt über illegalen Muschelfang. Die Brücke ponte die Lavraneri führt von Sacca Fisola nach Giudecca.

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